Walking with the Rhone

Ausstellungen ⭔ Lemme & Zur frohen Aussicht ⭔ Willimann/Arai ⭔ 08.07.–17.09.2023

Willimann/Arai, Walking with the Rhone, 2023, Pilgerwanderung, 8. Etappe Oberwald–Rhonegletscher, Foto: Studio Stucky
Willimann/Arai, Walking with the Rhone, 2023, Kartierung der 8. Wanderetappe Oberwald-Rhonegletscher, Grafit, 24 × 19.3 cm

Das Projekt Walking with the Rhone des Künstlerinnen-Duos Willimann/Arai findet an zwei Ausstellungsorten und neun Veranstaltungstagen zwischen Sion und dem Rhonegletscher statt: Es beginnt am 22. Juli 2023 mit einem Basisstations-Apéro und der Vernissage einer Ausstellung in Lemme. Darauf wandern Nina Willimann & Mayumi Arai in Begleitung von interessierten Mitwandernden in fünf Tagen nach Ernen, wo ein Pilger-Apéro und ein Gespräch mit dem Pfarrer Vitus Nwosu stattfindet (im Rahmen der Ausstellung Zur frohen Aussicht), bevor sie drei weitere Etappen bis zum Rhonegletscher in Angriff nehmen.

Die Künstlerinnen begehen den Rhein-Reuss-Rhone-Pilgerweg nach Santiago de Compostela in umgekehrter Richtung, von Sitten flussaufwärts bis zur Quelle des Rottens, dem Rhonegletscher. Die Idee einer künstlerischen Pilgerwanderung entstand aufgrund des Interesses der beiden Künstlerinnen für Pilgertraditionen und ihre unterschiedlichen Ausprägungen. Während in Japan Bäume, Berge oder Landschaften seit jeher Pilgerorte sind, etablierte das Christentum über Jahrhunderte einen Dualismus zwischen Natur und Mensch. Die Wanderung von Willimann/Arai stellt die Rhone als Element der «Natur» in den Vordergrund. Sie ist Begleiterin und Bezugspunkt der Wanderung und Zentrum der damit verbundenen künstlerischen Recherche: dem Sammeln von flussverbundenen Geschichten, in welchen die Rhone als handelndes Subjekt auftritt.

Das Geschichtenerzählen ist genauso wie das Pilgern eine alte Kulturtechnik des Menschen, um der Welt Sinn zu verleihen. Geschichten formen die kollektive Wahrnehmung unserer Welt. Angesichts der sich abzeichnenden Klimakatastrophe, die im Abschmelzen des Rhonegletschers sichtbar wird, suchen Willimann/Arai nach Geschichten, welche die dominante, westliche, moderne Erzählung der Naturbeherrschung durch den Menschen aufbrechen. Dabei greifen sie einerseits auf die Sagenlandschaft des Wallis zurück – auf Spuren eines vormodernen Verständnisses der Welt, in dem Menschen sich als Teil einer belebten Natur sahen, auf die Rücksicht genommen werden muss. Andererseits sammeln sie von Mitwandernden und Zufallsbekanntschaften persönliche (wahre und erfundene) Geschichten und Erlebnisse, die mit der Rhone verbunden sind. Ziel ist es, der dominanten Erzählung viele verschiedene, alternative Erzählungen an die Seite zu stellen und auch die Rhone selbst für sich sprechen zu lassen.

Der Ausstellungsraum Lemme ist gleichzeitig Ausgangspunkt und Basisstation der Wanderung und visuelles Archiv des Projekts. Hier zeigen Mayumi Arai und Nina Willimann ausgewähltes Bildmaterial aus ihrer Recherche zur Rhone, zum Rhonegletscher und zum japanischen und europäischen Pilgerwesen. Dabei wird die besondere Struktur des Ausstellungsraums genutzt, um Beziehungen zwischen den verschiedenen Themen herzustellen.

Die gesammelten Geschichten zeichnen Willimann/Arai mittels Kartierungen auf und geben sie mündlich an andere Mitwandernde weiter. Die täglich entstehenden Zeichnungen wiederum schicken sie mit der Post nach Ernen, wo sie im Rahmen der Ausstellung Zur frohen Aussicht in einem Schaufenster ausgestellt werden. Das Kartieren ist eine erprobte Dokumentationsmethode des Duos. Dieses Medium erlaubt ihnen, lineare Erzählungen in simultane Bilder zu verdichten und verschiedene Geschichten gleichwertig nebeneinander stehen zu lassen. Die Zeichnungen haben keinen Anspruch auf objektive Repräsentation und lassen Raum für die Interpretationen der Betrachter*innen. Damit suchen sie bewusst den Kontrast zur naturwissenschaftlichen Kartografie.

www.lemme.site
www.zurfrohenaussicht.org